parochial



für sieben Ausführende:
vier Frauenstimmen (Sopran, Mezzosopran, Alt, Alt),
Klarinette/ Männerstimme,
Trompete/ Männerstimme,
Altsaxophon;
Zusatzinstrumente, die von allen bedient werden: Akkordeon, E-Gitarre, schwere, etwa handgroße Alteisenplatten, eine mit einem Metallstab gestrichene Gießkanne, Papier- und Plastiktüten, sowie ein walkman über dessen offene Kopfhörer vorproduzierte beats gespielt werden.

1997/1998

Dauer: ca. 70 min.
PARTITUR auf Anfrage erhältlich!

parochial ist ein Kompositionsauftrag des Berliner Senats.
UA: 26. Juni 1998; 2. Aufführung 28. Juni 1998.
Es spielten:
DIE MAULWERKER: Ariane Jeßulat, Stimme, Metall; Katarina Rasinski, Stimme, Metall, präp. E-Gitarre, Akkordeon; Barbara Thun, Stimme, Metall, Papiertüte; Steffi Weismann, Metall, Plastiktüte; Henrik Kairies, Trompete, Stimme, E-Gitarre, mit Metallstab gestrichene Metallgießkanne, Papiertüte; Tilmann Walzer, Klarinette, Stimme, Plastiktüte;
Gast: Niklas Mascher, Altsaxophon, Akkordeon, walkman, beat programming.

Gekürzte und dem Raum angepasste Fassung 5. August 2000 bei RESERVOIR IV im Kleinen Wasserspeicher Berlin. DIE MAULWERKER mit Niklas Mascher und (statt Tilmann Walzer) Henrik Lange, Klarinette, sowie Christian Kesten, Stimme, Gießkanne.



Die Möglichkeit aller Zukunft hat die Zeit jetzt in sich.
Der menschliche Bewegungsraum ist unendlich, wie die Zeit.

Ludwig Wittgenstein

parochial wurde bei seiner Uraufführung in der Parochialkirche Berlin als interdisziplinäres Projekt präsentiert. Der Bildende Künstler Rainer Dunkel installierte im Raum auf die Architektur bezogene konstruktivistische Objekte, die architektonische Eindrücke in Teilaspekten der abstrakten geometrischen Struktur des Kirchengebäudes reflektieren und diese in konstruierte Möglichkeiten metamorpher Vielfalt verändern. Gedacht als architektonische Membrane zwischen Gebäude und Raum nehmen sie die Resonanz der vorhandenen Formstrukturen auf, verweilen aber in der Vielfalt und Bewegung des ursprünglichen Raumes.

Christian Kestens Komposition ist räumliche Musik, geschrieben für die MAULWERKER und die Parochialkirche Berlin. Das Stück bewegt sich im Raum zwischen innen und außen; skulpturale Klänge werden im Raum bewegt, verengen oder weiten ihn; die drei Bläser bewegen sich meist außerhalb des Raumes und erweitern die akustische Wahrnehmung über die gesetzten architektonischen Wände hinaus.
Raum ist ein eigener Parameter und ist in der Partitur extra notiert.
Strukturell besteht das Stück aus verschiedenen Strängen, die zum Teil hart gegeneinander geschnitten sind.
Während der Gesamtablauf exakt bestimmt ist, gibt es darin zum einen genau ausnotierte Teile, zum anderen offene Felder, die durch klar formuliertes Material und Anweisungen, wie dies einzusetzen sei, abgesteckt sind.

Die akustischen Kompositionen von Christian Kesten und die Konstruktionen von Rainer Dunkel beschreiben in der Unterschiedlichkeit der gestalterischen Mittel zwei künstlerische Projektionsrichtungen, die sowohl autonome Positionen beinhalten, als auch Ergänzung und synergetisches Zusammenwirken im Kirchenraum ermöglichen.

Im Zusammenspiel der mehrschichtigen, gestalterischen Bewegungsimpulse entsteht ein Spannungsfeld zwischen Klang, Form und Raum. In dieser Synergie entstehen vielfältige Bewegungen, die nicht manifestierbare Raumaspekte aktivieren. Es entstehen in der Begrenztheit der äußeren und inneren Kirchenarchitektur eine Vielfalt unbegrenzter, offener Raummöglichkeiten.


"parochial ist solch ein dem Raum verbundenes Werk. ... ein sinnliches Verwirrspiel …. Zuerst mit Tönen, die sich im Zeitlupentempo nach oben schrauben und nach und nach den ganzen Raum füllen, … . Mal klingt das höhnisch, dann wieder eher ekstatisch, vieles ahnt man, statt es wirklich zu hören. Doch dann drängt sich die Sprache in den Vordergrund und klingt wie ein mit der falschen Geschwindigkeit abgespielter Dialog. Das ist aggressiv und unüberhörbar und ... ein beeindruckender Angriff auf die Sensoren des Publikums."
Anna-Bianca Krause, FAZ, 5.8.2000

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