Christian Kesten/ Barbara Thun/ Tilmann Walzer

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Musik für einen Keller


komponiert für und gespielt im Keller unter der Audimax-Bühne im Philosophikum II der Universität Gießen

aufgeführt vom 15.-19.Oktober 1991 im Rahmen des europäischen Theaterfestivals DISKURS des Studienganges Angewandte Theaterwissenschaften an der Uni Gießen

Das Handwagerl.
Das Handwagerl macht einen erheblichen Lärm
wenn man es zieht. Die Räder des Handwagerls
sind aus Holz oder aus Eisen, je länger man
fährt umso angenehmer wird das geräusch.

Karl Z.



INTERVIEW zwischen Barbara Thun, Tilmann Walzer und Christian Kesten; per Würfel wurde ermittelt, wer eine Frage stellt und wer antwortet.

T: Was habt ihr in Gießen eigentlich gemacht?
B: Wir sind in einen Keller gegangen, wir haben viel ausprobiert bis das Stück fertig war. Dann haben wir Menschen kommen lassen und ins Dunkel gesetzt. Diese Menschen haben wir mit Vorkommnissen traktiert, akustischer und optischer Art und taktil. Das ging von ganz dicht – vom Berühren mit nackter Haut – bis zu ganz weit – kaum noch hörbar.
T: Kannst du beschreiben, was sich durch diesen Raum für ein Konzept entwickelt hat und wie weit es in Beziehung speziell zu diesem Raum steht?
B: Dieser Kellerraum – das war der Kellerraum unter der Bühne des Audimax – hat das Prinzip von Nah und Fern eigentlich schon vorgegeben, und das Ungewöhnliche daran war, dass die Leute nicht im Audimax sitzen wie normalerweise und die Handlung sich auf der Bühne abspielt, sondern dass sie in diesem Falle im Keller saßen – unter dieser Bühne – und die Handlung sich teilweise trotzdem oben auf der Bühne abspielte. Andere Aspekte sind zum Beispiel das Erlebnis von Isolation, das hat sich durch die Dunkelheit dieses fensterlosen Raumes ergeben; dann auch das Ausnützen der verschiedenen Akustiken des relativ halligen Kellerraumes und des Sich-Entfernens durch das Treppenhaus, und dann das gedämpfte Heruntertönen von Geräuschen von der Bühne.
Noch ein Teil des Konzeptes war, ganz direkt Gegenstände, die sich im Keller befanden, miteinzubeziehen: Treppengeländer, die Stühle, ein Flügel auf der Bühne zum Beispiel.

T: Mit welchen Materialien habt ihr gearbeitet? Also es klang schon an: der Raum als "Großmaterial", aber was war dann das Material mit dem ihr ihn sozusagen gefüllt habt?
C: Wir haben mit den Wasserhähnen und der Dusche des sich im Keller befindlichen Waschraumes gearbeitet, also mit den verschiedenen Klängen dieser Wasserhähne, wozu Stimme eingesetzt wurde.
Wir hatten mehrere Super-8-Filme, die wir schon vorher vorbereitet hatten. Wir haben live mit Video gearbeitet, um den Raum nochmal anders wahrnehmbar zu machen: Aktionen auf der Bühne, die unten im Keller hörbar waren, wurden per Video nach unten übertragen, aber ohne Ton, also eine Spaltung von Visuellem und Akustischem.
Oder wir haben Stimmen und andere Klänge durch die verschiedenen räumlichen Ebenen wandern lassen, wobei die Klangerzeuger selbst nur hin und wieder unmittelbar zu sehen waren.

Das Auge.
Das Auge kann man im Spiegel beobachten
durch das bewußtsein nimmt es verschiedene
Formen an.
Es kann unter Umständen ersatzaugen
geben wo man ein paar Monate Blind
herumgeht.

Karl Z.


C: Lässt sich das, was ihr dort gemacht habt in irgendeine Rubrik einordnen? Ist es Theater, Musik … - was auch immer? Kannst du näher spezifizieren, was es eigentlich gewesen ist?
T: Es hat sich eine Konzeption entwickelt, bei der der Kellerraum akustisch erfahrbar gemacht werden sollte. Schwerpunkt lag auf der Musik unter Einbeziehung von optischen Elementen, aber die auch wiederum, um Raum erfahrbar zu machen.
C: Wie sieht euer Musikbegriff aus?
B: Musik kann auch aus dem Gegenteil von Klang bestehen, aus Nicht-Klang – Stille, wobei man in einem solchen Nichtklang auch wieder andere Klänge entdecken kann, die eigentlich vorhanden sind, aber die man vorher nicht wahrgenommen hatte. Eigentlich ist eine Abfolge von Ereignissen auch schon eine Art von Musik, weil sie in einem bestimmten Rhythmus auftreten, oder eine Bewegung ist Musik, weil sich bestimmte Sinneseindrücke in einer bestimmten Abfolge ereignen, genauso ist ein – stummer – Film auch ein Musikstück. Ganz zu schweigen vom Rattern des Projektors.

Das Leben.
Das Leben ist überraschend
und manchmal denkt man etwas klein
aber in Ewigkeit ist
es sehr schön.

Karl Z.

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